oder: Wie Mechterstädt zu einem kleinen Denkmal der deutschen Einheit kam
Von Rita Specht
Wer eine Eiche setzt, sagt man, pflanzt einen Baum für die Ewigkeit, denn ein Eichenleben überdauert nicht selten 30 Generationen. Mag sein, dieser Gedanke hat Hermann Kallenbach umgetrieben, als er wie so oft im Wald bei Mechterstädt nach Pilzen suchte.
Es war die Zeit, als die Grenzen fielen und Deutschland auf die Wiedervereinigung zusteuerte. Auch der „Stachelbeerförster“, wie Männe im Volksmund gerufen wurde, machte sich über das wunderbare Geschehen so seine Gedanken. Und kam zu einem Ergebnis:
Er wollte der wieder gewonnen Einheit in seinem Heimatort ein Denkmal setzen.
Ein gutes Symbol, so schien es dem Naturfreund, war die Eiche – eine Friedenseiche, zur Erinnerung daran, dass sich die beiden getrennten Hälften Deutschlands friedlich vereinten und als Zeichen dafür, dass sie in Frieden und von nun an ewig miteinander leben wollten. Darüber sprach er sehr oft auch am Biertisch im Gasthaus „Zum Stern“ mit seinem Stammtischbruder Egon Kalbe, der sein Ansinnen unterstützte, wie sich Wirtin Heide Otto noch gut erinnert.
Nun weiß man, dass Ideen am Biertisch meist eine kurze Halbwertszeit haben. Mit dieser allerdings kam es anders. Sie reifte.
Auf einer seiner Pilzgänge im Wald wurde Männe von Alfred Hoppe begleitet. Wie so oft sprachen die beiden über die Wiedervereingung, die am 3. Oktober 1990 vollzogen werden sollte, und natürlich über die Friedenseiche.
Männe Kallenbach hatte sich schon einen Baum ausgesucht, den er im Dorf setzen wollte. Er wusste nur noch nicht, wohin. Alfred Hoppe brachte ihn auf einen weiteren Gedanken. Unter der Eiche könnte doch ein Gedenkstein stehen, der mit einer Tafel an den besonderen Tag erinnert.
Einen Sandstein vom Friedhof hatte er noch in seinem Garten stehen. Zudem verstand er sich als gelernter Werkzeugmacher aufs Schildermachen.
Gesagt, getan. Er fertigte also eine kleine Metallplatte mit der Aufschrift „3. Oktober 1990 Tag der Deutschen Einheit“, schraubte sie auf den Stein und machte so daraus ein Denkmal.
Doch wohin nun mit Stein und Eiche?
Da war ja mitten im Dorf die gemeindeeigene Grünfläche an der Hörsel, wo der Löwe vom Stockborn wachte. Und Alfred Hoppes Frau Christel arbeitete in der Verwaltung. Über sie ließ er bei der Gemeinde anfragen, ob es ein Problem gebe, an der Hörsel hinter dem Löwen einen Gedenkstein zu setzen und eine Eiche zu pflanzen. Da es keine Bedenken gegeben habe, so der Mechterstädter, wurde das Werk vollbracht.
Mit dem Gummiwagen wollte Alfred Hoppe den Stein nicht transportieren, dazu war er zu schwer. Deswegen sprach er Eberhard Rimbach an, der damals einen Kleintransporter fuhr. Der kann sich noch gut an die Fuhre erinnern und daran, dass der Stein nicht sehr groß war, weswegen er auch nicht sehr tief in die Erde gesetzt werden konnte.
Die Aktion wurde am 3. Oktober 1990 vormittags vollzogen, und zwar ganz unspektakulär und ohne große Zeremonie. Der Stein wurde angefahren, von den Männern gesetzt, die Eiche gepflanzt und die Sache anschließend im „Stern“ bei einem Bierchen begossen. Heide Otto erinnert sich, dass gerade Gottesdienst war. „Sollen sie feiern, wir machen unser Ding“, habe Männe Kallenbach damals gesagt.
Er lebt heute ebenso nicht mehr wie Egon Kalbe. Deswegen kann nur noch Alfred Hoppe die Frage beantworten, warum sie Stein und Eiche setzten. „Wir haben das aus Freude über die deutsche Einheit gemacht“, antwortete er. Dass sich jemand fast 20 Jahre später für die Sache interessiert, freut ihn: „Dann kann es ja nicht ganz verkehrt gewesen sein.“
Was nun die Eiche betrifft, so muss hier noch berichtet werden, dass das erste Exemplar – vermutlich im Wald ausgegraben – den Ewigkeitstest nicht bestand. Der Baum ging ein. Deswegen erbarmte sich Siegfried Fritsche, der mit freundlicher Unterstützung durch die 92er Waldcorporation eine neue Eiche pflanzte, die gut angewachsen ist und den Stein nun schon viele Jahre beschattet. Vom Löwen bewacht, steht er bis heute zur Erinnerung daran, dass drei Mechterstädter der deutschen Einheit ein kleines Denkmal setzen wollten. Einfach deswegen, weil sie sich darüber freuten.
P.S.: Für die Unterstützung bei der Recherche bedankt sich die Autorin des Textes bei Peter Weiland, Alfred Hoppe, Eberhard Rimbach und Heide Otto.
Wie eine Nachfrage beim Wasser- und Abwasserzweckverband Gotha und Landkreisgemeinden ergab, muss die Eiche Arbeiten des Verbandes im Zusammenhang mit der künftigen Abwasserbeseitigung nicht weichen. Sie kann also weiter der Ewigkeit entgegenwachsen…
Nachtrag: Auch Alfred Hoppe weilt heute nicht mehr unter den Lebenden.